Die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensende gibt Sicherheit, mindert Ängste und stärkt die persönliche Autonomie.
Vor allem viele alte oder schwerstkranke Menschen haben Ängste und fühlen sich alleingelassen mit ihren Gedanken um die eigene Vergänglichkeit und dem bevorstehenden Lebensende. In unserer Gesellschaft sind Sterben und Tod ein eher tabuisiertes Thema. Man spricht nicht darüber und verdrängt es in „guten Lebzeiten“.
Wir haben es verlernt, uns damit offen auseinanderzusetzen, die Begrenztheit unseres Daseins bewusst zu thematisieren. Ein Austausch mit Angehörigen und Freunden zu den Wünschen sowie persönlichen Bedürfnissen auf die Vorbereitung der letzten Lebensphase fällt meist schwer. Der Erörterung der zentralen Fragen mit Blick auf das Lebensende sowie der Umsetzung individueller Wünsche stehen wir oft selbst im Weg. Die Folgen sind Unsicherheiten, sich manifestierende Sorgen und auch Ängste, welche die positive Ausgestaltung der letzten Lebensphase erschweren und somit die Lebensqualität verringern.
Die Vorstellungen vom Sterben sind so individuell wie das Leben selbst. Zentrale Wünsche der meisten Menschen sind schmerzfrei, mit menschlicher Nähe und in vertrauter Umgebung zu sterben.
In erster Linie möchten wir alle ein würdiges Alter erreichen. Der Sterbevorgang selbst sollte schmerz- und gewaltfrei sein. Wenn wir unheilbar krank sind, möchten wir möglichst wenig Leid erfahren. Auf das Sterben will man gut vorbereitet sein, jedoch denkt man daran meist nicht zu den guten, gesunden Lebzeiten. Dies wird erst zum Thema, wenn das vermeintliche Ende sehr nahe ist. Dann könnte Angst aufkommen, ob noch genügend Zeit bleibt, alles Notwendige zu klären.
Die meisten Menschen wünschen sich Begleitung und Beistand von ihren Angehörigen oder engen Freunden. Ein schneller, unverhoffter Tod oder das „Nicht-mehr-Aufwachen“ aus dem Schlaf heraus, ist für manchen auch eine angenehme Vorstellung. An oberster Stelle steht ein würdevolles Sterben in geschütztem Raum, am besten zu Hause sowie mit dem Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
Die meisten Menschen sterben in Einrichtungen – oft allein, vielfach unter medizinischer Intensivbehandlung – eine Entwicklung, die zum Nachdenken anregt.
Jedes Jahr stirbt in Deutschland ungefähr eine Million Menschen, wovon bei den Männern rund die Hälfte und bei den Frauen fast 70 % älter als 80 Jahre sind. Mehr als 80 % versterben in Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krankenhaus, Pflegeheim, Hospiz, außerklinische Intensivpflege-Wohngemeinschaft etc.). Die Sterbestatistik zeigt, dass ungefähr 100.000 Menschen der Verstorbenen pro Jahr künstlich beatmet waren. Bei jedem fünften Tod sind die Menschen allein.
Die Todesursache Nummer 1 sind Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems (Herzinfarkt, Schlaganfall, Folgen von Bluthochdruck). An zweiter Stelle folgen die bösartigen Krebserkrankungen (Tumore). 10.000 Menschen – etwa 1 % der Sterbefälle – nehmen sich jährlich selbst das Leben durch einen sogenannten „harten“ Suizid. Schätzungsweise gibt es 10- bis 20-mal so viele Suizidversuche, die nicht selten mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen verbunden sind. Daher ist und bleibt die Suizidprävention eine zentrale und herausfordernde Aufgabe in unserer Gesellschaft, was sich auch in einem verabschiedeten Gesetz widerspiegelt (Suizidpräventionsgesetz vom Februar 2025).
Trotz großer Zustimmung in der Bevölkerung herrscht noch viel Unwissenheit – Aufklärung ist dringend notwendig.
Ca. 45 % der Deutschen (insbesondere ältere Menschen über 70 Jahre) fühlen sich gut oder sehr gut über das Thema Sterbehilfe informiert. Weiterbefragt wissen aber insgesamt nur ca. 15 %, dass Sterbehilfe auch in Deutschland erlaubt ist. 84 % befürworten Sterbehilfe und noch mehr empfinden, dass leicht zugängliche und seriöse Informationen wichtig sind. (forsa-Studie vom Oktober 2024)
Assistierte Freitodbegleitungen sind in Deutschland wieder seit 2020 straffrei möglich und wurden im Jahre 2024 von schätzungsweise 1.400 Sterbewilligen vollzogen (ca. 0,1 % der Todesfälle). Dabei erfolgte Sterbehilfe in 1.218 Fällen über Organisationen oder Gesellschaften, die ihre Zahlen veröffentlichen (DGHS, Linus, Dignitas Deutschland, Verein Sterbehilfe).
Da auf der Todesbescheinigung nach wie vor ein „Assistierter Suizid“ nicht dokumentiert werden kann, sind offizielle Sterbefall-Statistiken diesbezüglich ungenau. Dies zu ändern ist eine dringende Empfehlung an die zuständigen Behörden.
Im Vergleich dazu haben sich in der Schweiz, wo Sterbehilfe seit etwa 40 Jahren etabliert und gesellschaftsfähig ist, die Zahlen für begleitete Freitode auf einen Todesfallanteil von ca. 2 % eingependelt (ca. 1.600 Fälle pro Jahr).
Rücksichtnahme, Toleranz und Akzeptanz individueller Entscheidungen auf dem letzten Lebensweg zeugen von Respekt..
Die Ausgestaltung des Lebensendes ist individuell und vielfältig. Viele Hochbetagte oder Schwerkranke hängen sehr am Leben und können sich einen selbst herbeigeführten Tod nicht vorstellen. Andere wiederum kommen nach der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit und ihrem Anspruch auf eine adäquate Lebensqualität zu komplett anderen Entscheidungen: Für den einen ist Pflege und Therapie bis zum Schluss selbstverständlich, für den anderen kommen möglicher Autonomieverlust und intensive Pflegemaßnahmen nicht infrage.
Für den einen ist Pflege und Therapie bis zum Schluss selbstverständlich, für den anderen kommen Autonomieverlust und intensive Pflegemaßnahmen nicht infrage.
Der eine zieht schon frühzeitig in eine Alters-Wohnkommune, der andere geht ins Alters- oder Pflegeheim. Einerseits gibt es Kranke, die auch wenig erfolgversprechende Therapien als letzten Strohhalm nutzen wollen. Andere denken schon bei Stellung einer schweren Diagnose über ein selbst bestimmtes Lebensende nach, um sich dem bevorstehenden Leidensweg bewusst zu entziehen. Die Mitarbeiter im Hospizwesen und in der Palliativ-Medizin leisten eine außerordentlich wichtige und wertvolle Arbeit, aber nicht jeder möchte den Weg durch diese Einrichtungen gehen.
Alles ist richtig – nichts ist falsch! Jeder darf und sollte das selbst für sich bestimmen. Ein respektvolles Miteinander und wertschätzendes Akzeptieren der Entscheidung eines Einzelnen sollte die gesellschaftliche Norm sein. Zusätzlich gilt es, historisch gewachsene Wertvorstellungen im Zeitalter von zunehmender Hightech-Medizin, längerer Lebenserwartung und sich auflösenden Familienstrukturen zu überdenken.
(Personenbezeichnungen und -Abkürzungen stehen für alle Geschlechter gleichermaßen.)